Anonyme Opfer


Nur ganz langsam fühlt sie sich wohl

wenn er sie in die Arme nimmt

denn ihr ständiger Begleiter
ist diese Angst

die sie hemmt
sie braucht ihn doch so sehr

sie stößt ihn trotzdem weg

wenn er einen Stein aus der Mauer bricht
zu ihrem Kerkerversteck

Sie hat Angst vor Berührung

Angst
sich anzuvertrauen
Angst vor Enttäuschung

vor Gewalt - gegen Frauen

Sie duldet die Umarmung

und bleibt dabei allein

das Streicheln ist wie Feuer
brennt neue Narben ein
Angst
davon zu reden
wir das damals
für sie war

denn Offenheit macht verletzbar

ist Gefahr

Sie ist ein anonymes Opfer

sie schweigt alles in sich rein
Als anonymes Opfer hat sie große Angst

ihren Schmerz ganz laut wegzuschrein

Gefängnismauern wachsen mit jedem
bösen Traum
und ersticken ihre Zärtlichkeit
im liebesleeren Raum
Erinnerung zerfrißt die Seele
und haßt den Lei

und dann das Märchen von der Mitschuld

ewig lockt das Wei

Angst vor Zeigefingern

vor Hinterrücks-Geschwätz

vor der öffentliche Meute

die sensationsgeil - das Opfer hetzt

Anonymes Opfer

schweigen alles in sich rein
Anonyme Opfer haben große Angst

ihren Schmerz ganz laut wegzuschreien

Männer sind die Täter

rücksichtslos - gemein
Manchmal ist es schwer

sich nicht zu schämen

ein Mann zu sein







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